Ein Ski-Abenteuer über 68° -Skitour im Pallas Yllästunturi Nationalpark

Ski-Abenteuer-HettaPallas-1

Ich glaube es kaum, aber ich fliege.

Alles, was ich noch wahrnehme ist der mit zahlreichen kleinen und großen Hügeln überdeckten Boden. Meine Skier scheinen gekonnt über die Hügel zu springen, meine Beine bewegen sich jedoch unkontrolliert hin und her.

Ich fliege mit einer für mich kaum mehr messbaren Geschwindigkeit den vereisten, steilen Abhang herunter. Auch mein schwerer Rucksack scheint daran Gefallen zu haben und drückt mich immer weiter runter, immer schneller.

Wo?

Mittendrin im Pallas Nationalpark Yllästunturi Nationalpark im finnischen Lappland. Irgendwo auf dem halben Weg zwischen dem kleinen verträumten Ort Hetta und Pallas, einen Ort, den wir niemals erreichen. Irgendwo mitten in einer vollkommen weißen Landschaft, wo kein Baum, kein Strauch dieses vollkommene Bild einer glänzenden Schneewüste vereiteln kann.

Einen Ort, wo aus der Ferne die Riesen Schwedens und Norwegens ihre Gestalt zeigen. Einen friedlichen und stillen Ort, der nun von meinem Geschrei erschüttert wird.

Wie es dazu kam?

Es war März. Mein Outdoorgeist hungerte nach tage- und nächtelanger frischen Luft, Lagerfeuerduft und am kleinen Kocher gekochte Instantnudeln. Mein Körper, der dauerhaft wegen den schlechten Wetter Turkus unterfordert war, sehnte sich nach einem Muskelkater durch die stundenlange Bewegung in der frischen Luft.

Ich wusste, ich musste losziehen. Doch, wohin?

Natürlich Lappland!

Das einzige Problem ist der bis April liegende meterlange Schnee, der das Wandern zu Fuß unmöglich macht. Zugleich freute ich mich auf den eisigen Spätwinter in Lappland, der jedoch meine Fortbewegungsmittel auf Schneeschuhe und Skier reduzierte.

Vom Wintersport hielt ich bis dahin recht wenig, aber warum sich mal nicht vom Gegenteil überzeugen?

Meine Freunde (allesamt Nordeuropäer, die fast seit ihrer Geburt Skilaufen) versicherten mir, dass das Skifahren so einfach wie das Gehen wäre.  Meine Abenteuerlust überzeugte mich von der Idee ohne jegliche Vorkenntnisse und Übung mit einem schweren Rucksack einige Tage lang in der Wildnis Lappland Ski zu fahren.

Gedacht, geplant, getan.

Die Suche nach dem passenden Nationalpark war schwierig aber fruchtbar: die Entscheidung fiel auf den Pallas-Yllästunturi Nationalpark, 300 Kilometer über dem Polarkreis mit anfängerfreundlichen Trails und guter Verkehrsanbindung.

Wir hatten fünf Tage Zeit. Keinen Plan. Keine Kilometervorgaben. Einfach losziehen und genießen.

Aller Anfang ist schwer?

Gewiss, so auch bei mir.
Nun stehe ich nach einigen hundert Metern bereits am ersten Hügel. Mit voller Kraft gleite ich den Hügel hoch – pardon, runter, immer weiter runter, bis ich wieder unten ankomme.  Das gleiche passierte mit den nächsten Hügel, und den übernächsten.

So geht es eine ganze Stunde lang, kaum bin ich auf den Skiern, liegen sie wieder unter meinem Rucksack. Die Sonne scheint. Jede halbe Stunde kommt ein fröhlicher Ski-Wanderer entgegen. Wie machen sie das bloß? Ich will einfach nur liegenbleiben.

Sturz-HettaPallas
Aber mittendrin in dieser perfekten Landschaft, bei diesem perfekten Wetter kann ich einfach nicht aufgeben.

Zum Glück erreichen wir nach weniger als fünf Kilometern eine (für mich) ideale Langlaufstrecke: leichte Hügel gefolgt von leichten Abstiegen.

Ski-HettaPallas

Endlich Zeit, die Natur zu genießen.

Langsam erstreckt sich ein großer verschneiter Berg am Horizont, der mit seinem Schnee über den ganzen Himmel strahlt.

Den Gipfel in den Augen – natürlich nicht ohne leichte Panik, dass wir ihn später besteigen müssen – gleiten wir Kilometer für Kilometer der ersten Hütte immer entgegen.

Es dauerte nicht mehr lange, bis wir die erste Hütte – Pyhäkero- erreichen. Kaum angekommen, nehme ich die warme Kaminluft wahr – wie sehr habe ich das vermisst!

perfekter AbendinPallas-Yllästunturi

Die Hütte ist klein aber fein und bietet Platz für fünf Wanderer. An diesem Abend musste sie sechs Wanderer beherbergen. Nach all den Nächten in den Hütten, ist das die erste Nacht, an der wir eine Hütte teilen müssen. Wir haben das Vergnügen, einen lustigen Abend mit drei Litauer und einem echten Finnen (so wie er sich uns vorstellte), zu verbringen. Für die Litauer war es etwa die zehnte Nacht in der Wildnis, sie haben ihr Lappland Abenteuer auf Ski schon in etwa 140 Kilometer weiter südlich gelegenen Äkäslompolo angefangen.

Für mich steht fest: nächsten Frühling will ich auch so fit sein für eine längere Ski-Tour in Lappland.

Nach einer warmen Nacht in der kuscheligen Hütte ziehen wir, bepackt mit einigen wichtigen Tipps zur Strecke, weiter. Unglaublich, wie die Fortbewegung auf den Skiern am zweiten Tag bereits in Fleisch und Blut übergeht.
Der zweite Tag führt uns direkt in die Wildnis auf einem leichten Anstieg. So langsam verabschiede sich der Wald von uns und offenbart uns eine grandiose Aussicht auf die bevorstehenden Berge, weit entlegene Seen und Wälder.

Ausblick-HettaPallas-1

Zeit, endlich stehen zu bleiben und aufzuatmen.

Das sind Momente, wenn der Rucksack plötzlich nicht mehr drückt, die Füße nicht schmerzen, der Muskelkater vergessen wird. Momente, für die ich viele weitere Ansteige in Kauf nehmen würde.

Im Moment vollkommener Zufriedenheit rascheln plötzlich die Bäume. Völlig unbeeindruckt von uns, überquert eine Gruppe Renntiere, uns skeptisch betrachtend und vorsichtig, unseren Weg.

Renntiere-Pallas-Yllästunturi-1

Immer noch fasziniert von den Renntieren, sehe ich ein wenig weiter einen versteckten Schneeball auf zwei kleinen Beinchen unter einem Baum. Ich muss meine Augen reiben, um festzustellen, dass dieses riesige  Schneeball in Wirklichkeit ein Schneehuhn war, das Wahrzeichen von Hetta.

Finde das Schneehuhn!

Finde das Schneehuhn!

Ganz verloren in Begeisterung an die wilden Tiere und an die fantastische Aussicht, müssen wir bald feststellen, dass wir bereits am Fuße großer Berge angekommen sind.

Berge?

Natürlich, ja. Ein Norwegenfan oder ein Bayer würden jetzt die Augen verdrehen. Diese Berge sind nichts in Vergleich zu den Skanden oder gar Alpen. Aber für mich sind sie die erhabenen Riesen, die uns Menschen, in den Schatten stellen und durch die weitreichenden Schatten uns winzig fühlen lassen. Die Riesen sind frei von Bäumen, lediglich ein paar Sträucher finden dort ihr Zuhause. Es ist so hell, dass ich selbst mit meiner Skibrille meine Augen zusammenkneifen muss.

Jedes einzelne Mal als ich fiel – und davon gab es einige, der Weg wurde sehr glatt und die Skispuren oft zu verweht, von den steilen Auf-und Abstiege ganz abgesehen, hatte ich das Bedürfnis ein Foto zu machen von jedem einzelnen Platz und davon noch jedes mal aus der anderen Perspektive.

Nach vielen Wochen Regen, Schnee, Matsch und Dunkelheit in Turku scheint so viel Sonne so ungewöhnlich und fremd zu sein. Doch die Harmonie dauert nicht lange an.

Respekt vor dem Wetter

Plötzlich, ganz aus dem Nichts, werden wir von einem starken Wind, nein, Sturm überholt. Binnen einiger Minuten wird der Rückenwind so heftig, dass ich mich kaum bewegen muss, um Vorwärtskommen.

Oh wie schön, dass keine Abstiege mehr vor uns liegen. Ich will gar nicht daran denken.

Es ist mein erstes Mal im Winter in Lappland. Ich habe schon oft von Schneestürmen, rasanten Wetterumschwung und White-Out Effekt gehört. Es selbst zu erleben, ist jedoch etwas ganz anderes. Es ist real, angstseinflößend und doch auf eine Art spannend (wenn ich weiß, dass die Hütte, nur noch wenige Meter vor uns liegt).

Der Schneesturm verstärkt sich dermaßen, dass wir fast an der riesigen Hütte Sioskuru vorbeifahren.

Weiß-Pallas-Yllästunturi-1

Kaum betreten, schießt die Hütte sofort in mein Herz. Sie ist großzügig ausgestattet, sehr räumlich und auch häuslich.
Aber auch die äußeren Werte beeindrucken: die Lage kann nicht besser sein. Auf einem Berg, mitten im Nationalpark, so einsam und friedlich. Mit einer Aussicht auf die schwedischen bzw. norwegischen Berge und zahlreiche Seen im Tal, die dich leise auffordern, einfach hier zu bleiben.

SioskuruAbend-HettaPallas-1

Am nächsten Morgen, als der Sturm sich endlich legt, entscheiden wir uns einen Ausflug abseits des Hetta-Pallas Trails zu einer einsam gelegenen Hütte zu nehmen, die wegen ihrer Lage fast nur von Sommerwanderern benutzt wird.

Der Weg ist vereist, die Abstiege steil, so kam es dazu, dass ich fast den ganzen Berg schreiend runter fliegen muss. Diese Angst und Hoffnung zugleich, sich keine Knochenbrüche zu holen, lässt sich mit keiner Achterbahnfahrt vergleichen.
In der kleinen Hütte, endlich angekommen, von der Sonne gewärmt, entschieden wir uns, es ruhig angehen zu lassen und nicht die restliche Strecke nach Pallas zu fahren.

Moment der Erfüllung

Wir sitzen da und trinken eine heiße Blaubeersuppe. Es ist warm, das Feuer lodert im Ofen.
Die Sonne scheint draussen. Winzige Eiskristalle glitzern am Fenster. Es ist genau das, wofür mein Körper und Geist sich sehnten.

Uns ist bewusst, dass wir Pallas nicht erreichen werden. Der Schneesturm am vorigen Tag und unser noch mangelndes Ski-Talent werden es sehr schwierig machen nach Pallas zu kommen und von da aus wieder nach Hetta zurück. Hektik ist etwas, was auf dieser Tour nicht aufkommen darf. Wir wissen, dass wir nicht weiterkommen werden, aber das brauchen wir auch nicht.
Uns erwarteten einige Kilometer, die wir noch zurück nach Hetta schaffen müssen.

Blaubeersuppe-HettaPallas-1

Das Ende ist nur der Anfang

Wir hatten fünf wunderschöne aber zugleich sehr anstrengende und zum Teil schmerzhafte – ich hatte über 10 blaue Flecken und ein blaues Auge – Tage.

Es war mein erstes Mal auf Skiern in Lappland, es war auch meine erste Winterwandertour. Es war fordernd, oft gefährlich, aber auch abenteuerlich und fantastisch. Eine Sache war es jedoch nicht: kalt. Ich musste kein einziges Mal frieren. Nun verstehe ich die ganze Aufregung um Wintersport. Es ist toll. Auch wenn ich mich auch mit weniger Adrenalinschüben zufrieden geben würde.

Auf dem Rückweg nach Hetta, nehme ich den, durch die Sonne, schmelzenden Schnee wahr. Die Vögel zwitschern. Der Frühling kommt. Und, ich bin bereit. Ich habe einen wunderschönen, von Erfahrungen geprägten Winter in Lappland erlebt. So viel Schnee und Kälte, wie ich es noch nie erträumt habe.

Bis zum nächsten Mal, Winter. Wir sehen uns hoffentlich auf der nächsten Skitour in ein paar Monaten.

Bis dahin, alles Gute.

Gästebuch-HettaPallas-1

Warst du schon auf Skiern unterwegs in Lappland? Was hast du für Erfahrungen gemacht?


Möchtest du mehr erfahren? In meinem 2 mal monatlich erscheinenden Newsletter nehme ich dich mit auf meine Abenteuer und gebe dir unveröffentlichte Tipps!



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2 Comments

  1. 1

    oooooh, was für eine coole Story!!!
    Und ich kann dich so gut verstehen! Ich war lange auch kein Fan von Wintersport, aber gerade dieses Skitouring (und ich brauch auch nicht so viele Abfahrten) finde ich absolut spannend – und bei so einer Umgebung natürlich absolut perfekt!
    Da haste mich auf eine Idee gebracht ^^
    Liebe Grüße aus dem Gäu,
    Corinna

    • 2

      Hei Corinna,
      da freue ich mich aber sehr, dass ich dich auf eine Idee gebracht habe. Ich bin auf deinen Erfahrungsbericht gespannt :). Hoffentlich kommst du mit weniger Wehwehchen davon :P!

      Liebe Grüße aus Finnland,
      Ana

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