Archipelago Route: 3 Mädels auf einer Fahrradtour im finnischen Archipel

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Die Vorstellung:

Tage an einsamen Pfaden Fahrradfahren, frische Meeresbrise einatmen, Zelt am Strand aufstellen und uns morgens von dem Meeresrauschen wecken lassen…

…der perfekte Tag einer Fahrradtour auf der Archipelago Route in Südwesten Finnlands.

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Die Realität:

„Wie viele Kilometer sind’s denn noch bis Naantali?“

schreie ich in die Luft.

Anna kann es aber nicht hören, sie hat den riesigen Rucksack auf, der über ihren Kopf geht. Es ist mir auch egal. Es war eher eine rhetorische Frage, um meinen Unmut über die Situation loszuwerden.

Wir fahren doch schon fast zwei Stunden von Turku und wir sind immer noch nicht in Naantali. Es sind doch nur 20 Kilometer! (Wären es gewesen, wenn wir nicht einen Umweg von 5 Kilometern gefahren wären)

Wir sind vollgepackt. Jeder Gepäckträger trägt mindestens 7 Kilo, der ganz große Rucksack, der sich momentan auf Annas Rücken befindet , etwa 15 Kilo, der Rucksack meiner Mitbewohnerin auch 7 Kilo.

Es kommt noch besser: ich sitze auf einem winzigen Mädchenfahrrad, Anna auf einer schlecht kontrollierbaren, älteren Fahrraddame und Kristina auf einem Sportfahrrad, dessen Sattel sich nicht verstellen lässt und der viel zu hoch für die 1,60 kleine Kristina ist.

Trotzdem wollen wir es schaffen.

Die Sonne scheint nicht, es sind dicke graue Wolken aufgezogen, wir fahren entlang einer dicht befahrenen Strasse, deren Lärm mich unheimlich wütend macht.

Archipelago Route? Was machen wir bloß hier?

Die Inselwelt von Turku stand sehr weit auf meiner Wunschliste.

Kommst du nach Turku, kannst du einfach nicht drumherum kommen.

Ob im Supermarkt als Brot, oder ganz groß auf einem kleinen Ausflugsboot – die finnische Schärenwelt. Und in Turku ist das eben das Archipel von Turku.
Mit seinen unzähligen Inseln ist das finnische Archipel das größte auf der Erde und wird zu den schönsten gezählt. Alleine schon um Turku reihen sich über 20 Tausend Inseln einandern.

In April habe ich von der Archipelago Route erstmals gehört. So haben wir: meine spanische Mitbewohnerin Kristina, meine Freundin aus Deutschland Anna und ich, spontan beschlossen, eine Fahrradtour zu machen.

Die Tatsache: Keine von uns hat je eine mehrtätige Fahrradtourerfahrungen. Ach, macht nichts, das wird schon. Und, ohne vieles vorwegnehmen zu können: es war auch sehr gelungen letzten Endes, aber was alles geschah – lese selbst!

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Naantali – mehr als nur eine Moominstadt

Nach gefühlt 10 Stunden (es waren etwa 3), erreichen wir endlich Naantali. Naantali ist ein kleines hübsches Ferienörtchen mit sehr vielen alten traditionellen Häusern.

Wir essen ein Picknick oben bei der Kirche und ich bin froh, meinen Windstopper dabei zu haben: es ist nämlich ziemlich windig. Die Sonne versteckt sich irgendwo.

Trotzdem: Obwohl ich schon sehr oft in Naantali war, begeistert mich dieser Ort immer wieder, zu jeder Jahreszeit.

Vom Herbst bis Frühling erinnert mich Naantali an eine Geisterstadt: traditionelle bunte Häuschen stehen dicht an dicht. Schaue ich in einen der Fenster sehe ich mit viel mit Liebe gestaltete Dekoration: ob kleine Modellsegelschiffe, Moominfiguren oder alte Uhren. Jedes fünfte Fenster erzählt eine Geschichte. Einwohner sehe ich selten.

Ich stelle mir vor, wie erfüllt vom Leben dieser Ort im Sommer sein soll. Kinder, die ins Wasser springen.

Segelschiffe, die ihre Segel aufspannen. Motorboote, die ihre Motore starten.

Urlauber, auf den Terrassen der Promenaden, die mit ihren Freunden ihren Sommer bequatschen.

Touristen, die in Scharen durch alte Stadt laufen und für Fotos posieren.

Innerlich bin ich froh, diesen Ort so ruhig erleben zu dürfen.

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Bis hier hin war die Fahrradstrecke allerdings nicht so spekatukulär – es ging fast immer nur an der Hauptstrasse lang. Ich bin mir sicher, dass es in Turku viele kleine, verlassenere Strassen gibt, die nach Naantali führen – auch wenn sie länger sind, so wird es sich jedoch lohnen.

Ab Naantali wird der Weg richtig schön und oft steil: wir halten oft an Felsen an, mit dramatischenen Ausblick, machen eine Pause und unzählige Fotos. Auch die Tatsache, dass die Sonne am Nachmittag ihre Gestalt zeigt, steigert unsere Laune.
Ab hier ist die Müdigkeit nicht mehr zu spüren.

Die Fahrt über die vielen langen Brücken, die die Insel miteinander verbinden ist alleine schon ein Erlebnis: manche Brücken haben keinen Fahrradweg, so hoffen wir jedesmal, die Balance zu halten, wenn ein LKW vorbeisaust. Glücklicherweise begegnen wir nur wenigen LKW auf der Strecke.

Auf der Brücke werde ich immer schneller, ich schließe für einen Moment die Augen und lasse den kräftigen Wind in mein Gesicht wehen. Endlich haben wir das Festland verlassen.

Wir fahren durch die Inseln an kleinen idyllischen Dörfern und nicht so idyllischen Ferien-und Golfanlagen.

Sehen einsame Boote, die an den roten nordischen Häusern stehen (Klischee erfüllt).

Wir merken nicht, wie der Tag langsam aber sicher ein Ende nimmt. Es ist Mai, nach neun Uhr abends und die Sonne steht immer noch recht hoch.

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Zeit zum Schlafen

Wir stellen fest, dass es Zeit gekommen ist, einen Zeltplatz zu suchen. In meinem Traum sitzen wir neben unserem Zelt irgendwo am Wasser, wo wir den Sonnenuntergang oder auch den Sonnenaufgang beobachten können und grillen das Gemüse und die Kartoffeln.

Nun ja schöne Plätze gibt es ja, aber viele Bereiche sind eingezäunt oder es ist irgendwo ein Haus in der Nähe. Am Wasser ist es viel zu windig. Im Wald viel zu sumpfig, Wir verbringen Stunden damit ein Zeltplatz zu finden.

Durch unsere zahlreichen Pausen und Umwege haben wir es nicht geschafft, die geplante, etwa 15 Kilometer weiter entfernte Insel zu erreichen.

Wir suchen und suchen. Es dämmert schon, wir beschließen unser Zelt an einer Wiese neben dem dumpfigen Wald aufzubauen. Nicht so idyllisch. Aber nun – ändern können wir das sowieso nicht mehr.

Während ich Nudeln am Kocher koche – nichts mit Grillkartoffeln – sehe ich einen Elch vorbeihuschen.

Huch, lächle ich. Abend irgendwie gerettet. Bis das erste Regentröpfchen meine Nase erreicht.

Drei Mädels und ein Zelt

Das Zelt aufzubauen ist ein großes Drama. Drei Mädchen, ein Viermannzelt, was wir vorher nie aufgebaut hatten. Mein Zelt wäre viel zu klein. Und für das Aufbauen haben wir uns am Vortag keine Zelt genommen. So schlimm wird es dich nicht sein, oder?

Es dauert und dauert. Es steht. Ich bin mir sicher, dass ein paar Teile kaputt sind, aber das hilft uns nicht. Wir sind so froh, dass es steht, dass wir vergessen, dass Innenzelt an das Außenzelt dran zu binden.

Kein Zelt am Strand, kein Grill – dafür gibt es Rotwein im Zelt. Für alles gibt’s irgendwie eine Lösung!

Die Nacht verläuft regnerisch, stürmisch und hell. Wir haben uns so in unsere Schlafsäcke eingekuschelt, dass es am frühen Morgen schwer fällt, aufzustehen.

Aber hey, der Tag will uns auf den Beinen haben – so reist sich das Außenzelt frei und fliegt einfach weg. Zum Glück regnet es nicht mehr, sonst hätten wir ein echtes Problem.

Und weg ist das Außenzelt!

Und weg ist das Außenzelt!

Tag 2 der Fahrradtour auf der Archipelago Route

Von der Sonne wärmend, steigen wir uns dem Zelt. Kaum zu glauben, dass die Nacht draussen so ungemütlich war! Es wird sogar richtig heiß! Blöd nur, dass unsere Wasservorräte sich dem Ende neigen und kein Bach in Sicht ist!

Überall stehen kleine Häuser, doch die meisten scheinen unbewohnt zu sein. Bis wir ein wunderschön am Berg gelegenes Haus finden.

Die Mädels gehen hin und klingeln, während ich auf die Fahrräder aufpasse. Schon am vorigen Tag ließ ein freundlicher Opa die Mädels rein, um unsere Wasserflaschen aufzufüllen.

Doch diesmal ist es anderes. Die Mädels kommen einfach nicht wieder. Während ich nervös auf dem feuchten Gras sitze und überlege, ob ich die Mädels retten oder abhauen soll, springen die beiden aufgeregt raus, um mich abzuholen.

die freundlichen Insulaner und das Leben im Archipel

Die Hausbesitzerin Raja hat uns am Kaffee und Sandwiches eingeladen.

„Ich weiß doch, wie anstrengend so eine Fahrradtour auf der Archipelago Route sein kann, ihr braucht viel Kraft, Mädels!“

Sie tischt mächtig auf und erzählt uns einiges über ihre Familie, liebevoll eingerichtetes Haus und die Umgebung. Ihre Kinder haben die Insel verlassen und leben jetzt auf dem Festland.

Ich frage sie, ob sie sich nicht einsam fühlt auf der Insel.
In einer Stadt wie Turku zu leben, könne sie nicht mehr, erzählt sie. Die Ruhe, der Wald, das Wasser und die wenigen Autos machen das Leben auf der Insel lebenswert. Nach etwa 15 Minuten Autofahrt ist sie in der nächste Stadt, Naantali, der nächste Supermarkt ist viel näher.

Ich verstehe sie. Hier könnte ich auch alt werden.

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Der Heimweg

Da unser Zelt kaputtgerissen wurde und die Wetteraussichten für die nächsten Tage ziemlich mies aussahen, beschlossen wir einen Tag eher den Heimweg anzutreten. Auch wenn wir wieder die Strecke genau so zurückfahren, entdecken wir neue schöne und unbekannte Plätze.
Es ist ein sehr sonniger, fast windloser Tag. Die Fahrradtour auf der Archipelago Route verlief anders und viel kürzer als geplant.

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Fazit unserer Fahrradtour auf der Archipelago Route

Ich habe die Inselwelt nicht so intensiv kennenlernen können, wir ich mir das vorgestellt habe, dennoch habe ich einen eindrucksvollen Einblick bekommen, der mich dazu bringt zurückzukommen. Das nächste Mal aber vielleicht vom Wasser aus.

Durch verlassene einsame Landschaften auf kleinen Radwegen fahren, auf einsamen Inseln übernachten und den ganzen Ring zu schaffen, haben wir leider nicht geschafft.

Dennoch: meine erste Fahrradtour habe ich genossen. Mit ein wenig mehr Vorbereitung, weniger Gepäck und richtiger Gewichtsverteilung kann die nächste Tour kommen.

Irgendwann werde ich die ganze Archipelago Route fahren.

Aber wenn ich etwas gelernt habe, ist, dass ich nicht viel Erfahrung, Ausrüstung oder Ähnliches haben muss, um was Neues und Spannendes zu erleben.

Einfach losziehen.

Fahrrad-ArchipelagoRoute-Panorama

Nächste Woche erscheint ein Artikel über alle Fakten, die du über die Archipelago Route wissen musst und wie du die Route für dich besser machen kannst!

Weiterführende Links:

Offizielle Seite zur Archipelago Route auf deutsch (Link)
Lesenswerter Bericht über den Archipelago Trail auf 4-seasons.de (Link)

Hast du schon mal spontan eine Fahrradtour mit deinen Freunden unternommen und welche lustigen Erlebnisse hattet ihr dabei? Ab in die Kommentare damit

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Abenteuer

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2 Comments

  1. 1

    Hi Anastassija,
    Eine ereignisreiche Tour habt ihr da hinter euch gebracht, erinnert mich an meinen ersten Tag auf großer Reise. Ich war so mit mir selbst und damit beschäftigt, ans Ziel zu kommen, von genießen keine Spur. Beim Zelt aufbauen hätte ich mir fast ein Auge ausgestochen und als ich schließlich hundskaputt in meinem Schlafsack lag, dachte ich bloß: „Ok, das ist es also, was so verdammt toll sein soll, ja?“ Doch es wurde besser, viiiel besser, jeden Tag ein Stück :)

    Pannen gehören dazu, vor allem beim ersten Mal. Wenn immer alles nach Plan liefe, würden wir nichts lernen. Das Wichtigste ist, dass ihr euch nicht beirren lassen habt, weder von abenteuerlichen Fahrrädern, noch von 15kg Rucksack-Gepäck, Respekt! Ich kenne Leute, die so gar nicht erst losgefahren wären.

    Die Strecke ist zweitrangig, die kannst du beim nächsten Mal genießen, dafür dann richtig! :)

    Viele Grüße
    Patrick

  2. 2

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